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COVID-19: Ein psychologischer Killer?

4 min
Aktualisiert von Tobias W. Kaiser
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IN KÜRZE

  • Durch seine Eigenschaften wird die Gefährlichkeit von COVID-19 häufig unterschätzt.
  • Auch die Gefahren der wirtschaftlichen Auswirkungen sind nicht offensichtlich.
  • Könnte COVID-19 eher ein psychologischer, als ein körperlicher Killer sein?
  • promo

Der Ausbruch von COVID-19 hat die Wirtschaft lahmgelegt. Ohne Eingriff droht ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Bei zu starken Eingriffen droht ein wirtschaftlicher Zusammenbruch.
Was bei der Bewertung der COVID-19-Krise häufig außer acht gelassen wird, sind die psychologischen Auswirkungen, welche die Pandemie auf unsere Gesellschaft hat. Dabei geht die größte Gefahr durch das Virus womöglich nicht von den körperlichen Symptomen aus.

Kognitive Verzerrung durch exponentielles Wachstum

Eine Quelle für viele kognitive Verzerrungen ist die Tatsache, dass Menschen schlecht darin sind, exponentielle Zusammenhänge, wie die Ausbreitung eines Virus, zu erkennen. Auf seinem YouTube-Kanal erklärt Christian Rieck, Professor an der Frankfurt University of Applied Science, spieltheoretische und psychologische Gegebenheiten, derzeit natürlich insbesondere mit starkem Fokus auf COVID-19. In seinem jüngsten Video erklärt er eindrucksvoll, warum Menschen ein Problem häufig zu spät erkennen, wenn dessen Auswirkungen exponentiell zunehmen. Ähnliche Zusammenhänge ergeben sich auch bei der exponentiellen Zunahme des CO2-Ausstoßes und der daraus resultierenden Erderwärmung, oder auch bei der exponentiellen Wertsteigerung von Kryptowährungen. Betrachtet man beispielsweise den Kursverlauf von Bitcoin, so erkennen wir bis Ende 2017 eine Wertsteigerung, die im Wesentlichen einer exponentiellen Wachstumskurve folgt. Im Jahr darauf brach der Kurs bekanntlich von einem Höchststand von über $20.000 bis auf einen Tiefststand von knapp unter $3.500 ein, was ein Rückgang von 82,5% ist. Obwohl es sich bei diesem Einbruch vom Gesamtwert in US-Dollar her um den größten Rückschlag für Bitcoin bisher handelte, sind prozentuale Rückgänge in dieser Größenordnung nichts ungewöhnliches. Diese kognitive Verzerrung kann aufgehoben werden, indem man eine logarithmische Achsenbeschriftung verwendet. Im unteren Diagramm werden die Achsen nicht linear sonder logarithmisch dargestellt. Dabei verzehnfacht sich der Bitcoin-Kurs jeweils zwischen zwei horizontalen Trennlinien. Dadurch wird der prozentuale Preisanstieg von Bitcoin besser verdeutlicht. Gegner der Corona-Lockdowns weisen häufig darauf hin, dass wir von einer Überlastung des Gesundheitssystems noch weit entfernt sind. Dies ist allerdings ausschließlich dem Umstand zu verdanken, dass wir frühzeitig mit den Lockdowns auf die Krise reagiert und die exponentielle Ausbreitung des Virus damit unterbunden haben. Im Gegensatz dazu mussten sich in Italien Ärzte ethisch schwierigen Entscheidungen stellen, zum Beispiel, wer aufgrund der Knappheit künstlicher Beatmungsgeräte beatmet werden kann und wer nicht. [Süddeutsche Zeitung] Dadurch kam es in Italien zu einer deutlich höheren Sterblichkeitsrate bei COVID-19-Fällen, als in Deutschland. Ein hohes Alter ist dabei häufig ein Ausschlusskriterium. Noch umstrittener ist die Frage, ob auch Vorerkrankungen ist die Triage-Entscheidungen einbezogen werden sollen. Aber auch die Probleme für die Wirtschaft breiten sich exponentiell aus, je länger die Krise andauert. Mit jedem Tag geraten immer mehr Unternehmen in das Risiko einer Insolvenz. Dieses Risiko breitet sich exponentiell aus, da Unternehmen in ihren Lieferketten voneinander abhängig sind, oder offene Forderungen an andere Unternehmen haben. Dadurch kann die Insolvenz eines Unternehmens auch andere Unternehmen in Gefahr bringen. Wie gut wir diese Krise bewältigen werden, hängt schlussendlich davon ab, wie sinnvoll die Bundesregierung und die Landesregierungen ihre Maßnahmen zum Social Distancing lockern. Werden diese zu schnell gelockert, kommt es erneut zu einer exponentiellen Ausbreitung von COVID-19. Zögert sie zu lange, kommt es zu einer exponentiellen Verstärkung der Rezession.

Verzerrung in der Risikobewertung

Neben den kognitiven Verzerrungen, welche durch die exponentielle Ausbreitung von COVID-19 entsteht, führen die Symptome, welche durch das Coronavirus verursacht werden und je nach Fall unterschiedlich stark ausfallen, zu einer Verzerrung in der Risikoeinschätzung. Man liest häufig, dass die hohe Ansteckungsrate von COVID-19 mit der langen Inkubationszeit des Virus zusammenhängt. Dadurch haben Infizierte einen langen Zeitraum, in dem sie verstärkt andere Personen anstecken können. Dies wird dadurch verstärkt, dass das Coronavirus nicht bei jedem starke Symptome verursacht. Einige Menschen, insbesondere junge Menschen und Kinder können sich mit dem Coronavirus infizieren, ohne Symptome zu entwickeln, wodurch diese besonders viele Menschen anstecken können. Da COVID-19 in den meisten Fällen einen milden Verlauf nimmt, unterschätzen viele Menschen die Gefahr, die das Coronavirus für ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen birgt. In den Kreisen von Verschwörungstheoretikern wird häufig behauptet, dass das Coronavirus nicht gefährlicher sei, als eine Grippewelle. Die unterschiedliche Schwere des Verlaufs von COVID-19 führt auch dazu, dass Wissenschaftler nur sehr schwer zu einer objektiven Einschätzung gelangen können. Bei der Zählung der Todesopfer kann nur schwierig unterschieden werden, ob Menschen tatsächlich am Coronavirus, oder an ihren Vorerkrankungen gestorben sind und inwiefern COVID-19 dazu beigetragen hat. In Hinblick auf die Situation in Italien, wo die Beatmungsgeräte knapp wurden müssen wir davon ausgehen, dass COVID-19 in deutlich mehr Fällen zu einem schweren Verlauf und damit verbunden zu Todesfällen führt, als eine Grippeerkrankung. Dazu kommt die höhere Ansteckungsrate. Wir müssen uns also damit abfinden, dass COVID-19 gesamtgesellschaftlich deutlich schwerwiegendere Auswirkungen hat, als eine gewöhnliche Grippewelle.

Wirtschaftliche Spätfolgen durch COVID-19

Die geschätzten wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Lockdowns sind gut dokumentiert. Der Internationale Währungsfond (IWF) spricht von der schlimmsten Krise in seiner Geschichte. Auch das deutsche IFO-Institut erwartet keine V-förmige Erholung der Konjunktur. Insgesamt wird die derzeitige Rezession höchstwahrscheinlich in der selben Größenordnung wie die Weltwirtschaftskrise von 1929 liegen. Auch in einer Wirtschaftskrise kommen Menschen zu Schaden und sterben frühzeitig, sei es durch Hungersnöte, schlechte Gesundheitsversorgung, unhygienische Zustände, gesellschaftliche Konflikte, oder Selbstmorde. Beispielsweise rechnet die UN damit, dass durch die COVID-19-Pandemie zusätzliche 130 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht sind. Allerdings sind die wirtschaftlichen Toten weniger sichtbar, als die Todesopfer durch COVID-19. Daher wird auch die Gefahr, welche von einer zu lange Aufrechterhaltung der Lockdown-Maßnahmen ausgeht, stark unterschätzt. Für politische Entscheidungsträger stellen sich damit zwei Gefahren dar. Einerseits kann es durch zu schnelle Lockerungen zu einer erneuten Erkrankungswelle und gegebenenfalls zu einer Überlastung des Gesundheitssystems kommen. Diese Gefahr wird dadurch verstärkt, dass Menschen die Schwere der COVID-19-Erkrankungen unterschätzen. Auf der anderen Seite wird auch die Gefahr der wirtschaftlichen Spätfolgen unterschätzt. Wie gut wir diese Krise weltweit bewältigen werden, hängt davon ab, wie sinnvoll Regierungen handeln werden. Um dies zu tun, benötigen sie objektive und wissenschaftlich korrekte Einschätzungen der Lage. Dem entgegen stehen die verschiedenen kognitiven Verzerrungen, denen wir ausgesetzt sind. Abschließend kann gesagt werden, dass COVID-19 möglicherweise mehr Todesopfer auf der psychologischen Ebene, als durch seine Symptome fordern wird. Das Coronavirus ist somit nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein psychologischer Killer.
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Tobias W. Kaiser
Tobias verfügt über einen Bachelorabschluss in angewandter Informatik, sowie einen Masterabschluss in Kognitionswissenschaft mit Fokus auf kognitiver Psychologie und künstlicher Intelligenz. Während seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Gent nahm er an einem Forschungsprojekt in Verbindung mit einem großen französischen Telekommunikationsanbieter teil. Hierbei erforschte er die Anwendung von Spieltheorie auf den gemeinschaftlichen Ausbau von...
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